Die meisten Firmen beherrschen weder Kosten noch Preise, sondern werden von den Preisen beherrscht, die der Markt oder die Konkurrenz vorgeben. "Wir müssen noch mal mit den Preisen runter, sonst verkaufen wir gar nichts mehr“, heißt dann die Devise. So liefern s ...

03.02.2009

Wie Sie Preisgespräche kreativ führen

Die meisten Firmen beherrschen weder Kosten noch Preise, sondern werden von den Preisen beherrscht, die der Markt oder die Konkurrenz vorgeben. "Wir müssen noch mal mit den Preisen runter, sonst verkaufen wir gar nichts mehr“, heißt dann die Devise. So liefern sich ganze Branchen Preisschlachten mit verheerendem Ausgang. Durch hektisches Preisdumping kommt zwar möglicherweise kurzfristig Geld in die Kassen. Doch zuerst verlieren solche Firmen Vertrauen - und am Ende womöglich alles.
 

'Billig-Billig' ist mit einem Verrohen der Sitten, mit einem Verfall von Dienstleistungsqualität (Service ist teuer!) und mit Vertrauensschwund ("Hätte ich das nicht irgendwo, nächste Woche noch billiger bekommen können?") verbunden. Gerade jetzt sollte man sich aber nicht kurzsichtig verleiten lassen, die Quartalsergebnisse zu polieren, sondern alles tun, um die unternehmerische Zukunft zu sichern. Und dazu kann der Vertrieb eine Menge beitragen.
 

Denn nicht jeder Kunde will billig kaufen! Der Billig-Preis spielt für die Kunden oft eine viel geringere Rolle, als uns Medien und Verkäufer glauben machen. Und es gibt Geld in Massen. Auf Sparkonten zum Beispiel. Wie attraktiv sind Sie, um es von dort loszueisen? Ein Verkäufer muss Wünsche wecken können, von denen der Kunde gestern noch nicht wusste, dass er sie heute haben wird. Ein Bäcker muss seine Kunden nicht satt sondern hungrig machen. Wer allerdings immer nur über seine Preise spricht, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kunden nur noch nach den Preisen fragen.
 

Was die Hirnforschung zum Preisthema sagt
 

Die Aussicht, Geld zu erhalten oder durch ein Schnäppchen Geld einzusparen, stimuliert unser celebrales Belohnungssystem. Rabattaktionen rufen demnach die Aussicht auf ein positives Ereignis hervor. Und mehr noch: Bei Erwartung einer Vergünstigung werden hirninterne Kontrollmechanismen zurückgeschaltet. Der Verlust von Geld hingegen aktiviert ein Hirnareal, das auch für die Schmerzverarbeitung zuständig ist: die Insula. Allein auf einen Preis zu schauen tut also weh.


 

Ein Rabattsymbol oder ein an das Produkt gekoppelte gute Gefühl neutralisiert diesen Effekt. Die Verrechnung führt dann zum Kauf – oder auch nicht. Wie neurowissenschaftliche Untersuchungen festgestellt haben, zeigen insbesondere die Hirnaktivitäten Kaufsüchtiger ein verstärktes Verlangen nach einem begehrenswerten Produkt verbunden mit einem gleichzeitig geringeren Verlustempfinden für Geld. Das Habenwollen besiegt die Vernunft.
 

Und so fasst dies Bernd Weber vom Neuroeconomics Lab an der Universität Bonn zusammen:
 

  • Es existiert ein ‚Kaufnetzwerk‘ im Gehirn.
  • Hierbei werden Abwägungen zwischen dem Verlangen nach einem Produkt sowie dem Verlustempfinden für das Geld getroffen.
  • Dieses System ist nicht statisch, sondern wird durch verschiedene Faktoren moduliert (z.B. Rabatte, zeitlich versetzte Bezahlung usw.).
 

Hirnforscher können inzwischen allein aufgrund der Aktivierung entsprechender Hirnareale feststellen, ob die Probanden ein Produkt kaufen würden oder nicht. So stellt sich jedem Unternehmen die Frage: Wodurch verschaffen wir unseren Kunden Belohnungen in Form von guten Gefühlen?
 

Dabei gilt: Je stärker die subjektiv empfundene Belohnung im Zuge eines Kaufs ist, desto mehr Geld-Schmerz sind wir bereit, dafür zu zahlen. Gute Gefühle dürfen kosten. Wer hingegen kein gutes Gefühl erhält, der tröstet sich (Trostpreis!) höchstens mit Billigpreisen oder Rabatten darüber hinweg. Das erkläre auch die geringe Kundenloyalität in Märkten, die sich im Preiskampf befinden, so Christian Scheier in seinem Buch Was Marken erfolgreich macht: Die celebralen Belohnungen fehlen. Belohnungen machen süchtig – und damit auch loyal.
 

Die Achillesferse des Verkäufers
 

Der Preis ist die Achillesferse des Verkäufers – beim Preis ist er am besten zu packen. Das Argument ‚zu teuer’ ist oft nur ein Testballon, um mal zu sehen, wie der Verkäufer reagiert. ‚Zu teuer’ ist ein praktischer Vorwand – eine Vorwand im wahrsten Sinne des Wortes – um seine wahren Motive zu verschleiern. Und ‚zu teuer’ ist manchmal die Strafe des Kunden für eine unprofessionelle verkäuferische Leistung. Oder er will mit ‚zu teuer’ ganz einfach sagen: Beweisen Sie mir, dass sich die Investition für mich wirklich lohnt!
 

Verkäufer, die glauben, dass Kunden nur wegen günstiger Preise kaufen, blockieren sich im Kopf für alle anderen kreativen Lösungsmöglichkeiten, denn sie signalisieren dem Hirn: Kein Grund, sich anzustrengen, spar dir die Energie. Leichtfertig vergebene Rabatte sind oft nur ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter Beschäftigung mit dem, was den Kunden wirklich bewegt – in rationaler und in emotionaler Hinsicht. Und: „Das war dem Kunden mal wieder zu teuer!“ ist eine von vielen Verkäufern gern gewählte Schutzbehauptung, um den eigenen Misserfolg zu kaschieren.
 

Wer den Preiswettbewerb der Zukunft gewinnen will, muss sich schon mehr einfallen lassen, als wahllos die Preise zu senken. Eine positive Preiswahrnehmung wird nicht durch einzelne Billigpreise geprägt, sondern durch eine konsistente, nachvollziehbare und kundennahe Preisstrategie. Der Preis ist das Opfer für einen erhaltenen Nutzen und ein gutes Gefühl. Kunden müssen also den Preis im Vergleich zur erhaltenen rationalen und emotionalen Leistung als günstig erleben. Wer nach subjektivem Empfinden mehr Nutzen bekommt, als er dafür zahlen muss, ist zum Kaufen bereit.
 

Bei Vergleichbarkeit entscheidet der Preis
 

Anbieter müssen vor allem aus der Vergleichbarkeit heraus, denn bei Vergleichbarkeit entscheidet immer der Preis. Was man beispielsweise tun kann: einzigartige Preis-Leistungs-Kreationen bieten, um mit innovativen, schwer kopierbaren Wahlmöglichkeiten Kunden zu faszinieren. Oder: Dienstleistungspakete neu erfinden, um Waren knapp und begehrlich zu machen. Hierzu braucht es das Ohr am Markt. Wer seinen Kunden wirklich nahe ist, kann sehr, sehr viel über sie wissen.
 

Und wer hat dieses Wissen? Natürlich die Mitarbeiter, die am nächsten dran sind am Kunden! Kundennähe ist ein strategischer Erfolgsfaktor. "Wer ein Duschgel macht und seine Kunden wirklich verstehen will, der muss zu ihnen unter die Dusche gehen", sagte mir dazu kürzlich der Produktmanager eines Markenartikel-Konzerns. Tauchen Sie ein in die Welt des Kunden, befragen Sie ihn, beobachten Sie ihn, sammeln Sie alle seine Anregungen, ergänzt um eigene Ideen, in einer Ideenbank. Organisieren Sie Zukunftsworkshops, machen Sie Kreativsitzungen, entwickeln Sie ein Ideenmanagement. Wie das funktioniert, steht in meinem Buch Zukunftstrend Kundenloyalität.
 

‚Zu teuer’ ist oft nur ein Vorwand
 

‚Zu teuer’ wird der Kunde auch dann genüsslich sagen, wenn Sie ihm im Verkaufsgespräch nicht genug Achtung, Aufmerksamkeit und Anerkennung gezollt haben, weil Sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. ‚Zu teuer’ wird es heißen, wenn Sie an seinen Bedürfnissen vorbeiargumentiert haben, weil Ihre Antennen nicht ausgefahren waren. Was für den Kunden nicht relevant ist, was man nicht wirklich will und braucht, ist immer zu teuer.
 

‚Zu teuer’ ist vielleicht die Strafe des Einkäufers, den Sie nicht mögen, den Sie für einen Abzocker oder Nullchecker halten, den Sie falsch und verschlagen finden und auf internen Meetings gern als Horrorkunden präsentieren. Denn Ihre Gestik und Mimik wird Ihre Einstellung verraten. Und der Einkäufer wird sich dafür an Ihrer schwächsten Stelle rächen: beim Preis!
 

Wer also öfter im Preisgespräch scheitert, sollte sich fragen, was das möglicherweise mit ihm selbst zu tun hat. Dies ist zweifellos der schwierigere Weg, denn es ist ja so leicht, ständig die Außenwelt, also die eigenen Kollegen, die schwierigen Kunden oder den unfairen Wettbewerb zum Sündenbock zu erklären. Zeigen Sie mit dem Finger mal auf sich selbst, das könnte sehr erhellend sein!
 

Wenn beispielsweise die Mitarbeiterin eines Juweliers selbst nie im Leben soviel Geld für ein exklusives Schmuckstück ausgeben würde, weil sie kein Geld hat, oder weil sie sich das selbst nicht gönnen würde oder weil sie das Teil zu teuer findet, dann wird sie auch anderen nichts verkaufen.
 

Das Zu-teuer Syndrom besiegen
 

Hier kommt Ihre Strategie, wenn Sie das Gefühl haben, ‚zu teuer’ sei für den Kunden nur ein Vorwand. Zunächst: Sie würdigen den Preis. Viele Verkäufer machen den Fehler, den Preis klein und schlecht zu reden; Damit fordern sie den Kunden geradezu auf, seinen Preisstandpunkt zu verteidigen. Werfen Sie ‚Steinchen’ hinter die Vorwand, um zu sehen, was da im Verborgenen ist.
 

Das hört sich in etwa so an: „Ja genau, der Preis spielt heutzutage eine immer stärkere Rolle. Und gerade in Ihrer Branche ist die Preis-Sensibilität ja besonders hoch. Und schließlich las ich kürzlich, dass Ihr Unternehmen ein intensives Kosten-Sparprogramm fährt. Also, neben dem Preis, der ja zugegebenermaßen ein wichtiger Punkt ist, gibt es denn weitere Gründe, die Sie im Moment noch daran hindern, sich für unser Angebot zu erwärmen?“ Bringt der Kunde nun weitere Ausflüchte, haben Sie sich, weil Sie ‚Gründe’ gesagt haben, ein Türchen offen gehalten und können noch mal hinterfragen: „OK, einverstanden. Und neben …, gibt es da womöglich noch weitere Gründe?“
 

Wenn Ihnen diese Taktik nicht gefällt oder nicht passend erscheint, können Sie auch mit dem Als-ob-Szenario arbeiten. Das klingt dann in etwas so: „Nur mal so angenommen, der Preis würde überhaupt keine Rolle spielen, gäbe es dann noch weitere Gründe, die Sie im Moment daran hindern, sich mit meinem Vorschlag anzufreunden?“
 

Und wenn Ihnen auch diese Vorgehensweise nicht zusagt, dann denken Sie jetzt über eine eigene Lösung nach. Und achten Sie einmal ganz ehrlich darauf, was nun in Ihrem Kopf vorgeht, welche Gedanken sich gerade breit machen, welche mentalen Teufelchen Ihnen was einflüstern. Sind Sie ein Yes-butter oder ein Why-notter, also in Risiken oder in Chancen denkend? Sind Sie lösungsoffensiv oder blockiert? Reflektieren Sie darüber, was geht – oder kommt Ihnen immer als erstes das, was nicht geht, in den Sinn? Wer ständig darüber redet, was alles nicht geht, bekommt am Ende genau das, worüber er ständig redet: nämlich nichts.


 
Buchtipp

Erfolgreich verhandeln – erfolgreich verkaufen
Wie Sie Menschen und Märkte gewinnen
BusinessVillage 2005, 128 Seiten
21,80 €, ISBN 3-93835-810-6





Firma: Anne Schüller Marketing Consulting

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